ANDREI BUDAEV
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DER SPIEGEL
11/2009 vom 09.03.2009, Seite 166

Autor: Matthias Schepp
Kultur
Die Anatomie der Macht

Nahaufnahme: Wie ein Moskauer Künstler mit provokativen Polit-Plakaten zum Chronisten des neuen Russland wird
Drei Männer ziehen ein Fass über die Schneedecke Sibiriens: Wladimir Putin, dazu der Chef des Energiekonzerns Gazprom und der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. "Der Deutsche ist ja beinahe auch ein russischer Politiker", meint Andrej Budajew. Auf dem Fass prangen die Firmenlogos von E.on, BASF und Gazprom.

Das Gemälde ist Budajews Beitrag zum Gasstreit mit der Ukraine. Er persifliert darin ein russisches Meisterwerk aus dem 19. Jahrhundert. Solche politischen Kommentare in Bildform sind Budajews Markenzeichen, vor ihm ist kein Werk der Kunstgeschichte sicher. In einer Gesellschaft, aus der scharfe politische Satire fast völlig verbannt ist, malt Andrej Budajew, 46, trotzig gegen die weitverbreitete Apathie an.

Die Gazprom-Persiflage hängt an der Wand seines kargen, weißgekachelten und hellblaugetünchten Moskauer Ateliers. Budajew hat bis zum Morgengrauen durchgearbeitet. Er trägt zerfranste Jeans, einen blauen Pullover und einen Dreitagebart. Seine schwarzen Haare sind wirr, die Augen klein. Auf dem Schreibtisch liegt ein Aufputschmittel gegen die Müdigkeit. Budajews Kompositionen mögen plakativ wirken, verlangen ihm aber große Anstrengung ab, einen weiten Weg zum perfekten Motiv.

Zurzeit treibt ihn der neue Prozess gegen den ehemaligen Ölmagnaten Michail Chodorkowski um. Vor ein paar Jahren hat er Chodorkowski schon als besiegten Schlachtenlenker gemalt. Auf einem anderen Bild, "Einladung zur Hinrichtung", geleitet Putin den Widersacher mit eleganter Geste zu seiner Enthauptung.

Seit Tagen sucht Budajew nach neuen Ideen, hört Nachrichten und klickt sich durch die Internet-Ausgaben der Hauptstadtzeitungen, bis ihm ein Gedanke durch den Kopf schießt. "Wenn Chodorkowski einsitzt, sollen viele in den Knast", findet er. "Alle, die sich nach dem Zerfall der Sowjetunion die Taschen vollgestopft haben."

Nun muss er nur noch das passende Symbolbild aufstöbern. Er blättert durch Dateien mit alten Meistern, Sowjetmalern und Fotografen. Aus einer Filmdatenbank wählt er schließlich eine Szene aus einer amerikanischen Komödie, die zwei Dutzend Ganoven im Gefängnis zeigt. Unter den 30 000 Fotos, die er in seinem Computer gespeichert hat, sucht er die Köpfe, die er in das Standbild montiert: den Richter, der Chodorkowski ein zweites Mal verurteilen will, russische Oligarchen und Politiker. Er brandmarkt sie als Bande von Knastgaunern, mit dem russischen Premier Putin als Anführer.

"Ich hole unsere Politiker auf die Erde zurück", sagt er. "Ich will sie entgöttlichen." Das macht Budajew zu einem Künstler-Dissidenten. Denn in Russland wird seit Jahrhunderten der Staat vergötzt, seine Bürger wünschen sich mehrheitlich einen starken Führer. Wird Budajew gefragt, was Glück für ihn bedeutet, sagt er: "Wenn mehr und mehr Menschen meine Arbeiten gut finden."

Budajew gilt als schwarzes Schaf des Moskauer Künstlerverbandes, zu seinen Freunden zählen auch einige kritische Journalisten des Landes. Muss er um sein Leben fürchten? "Ich bin nicht im Gefängnis, und Angst, erschossen zu werden, habe ich auch nicht", sagt er.

Er enthüllt keine Korruptionsfälle, sondern legt die Krankheiten des politischen Systems offen. Er ist der bissige Chronist des neuen Russland. Ein einsamer Klassenkämpfer mit Pinsel und digitaler Schere an seinem Computerschirm. Die Mächtigen mögen sich über ihn ärgern, gefährlich wird er ihnen nicht. Dazu ist seine Nische zu klein. Die großen, vom Kreml gesteuer-

ten Zeitungen dürfen ihn allenfalls drucken, wenn er Russlands Feinde verspottet. Eine kleine, feine Fangemeinde aber verehrt seine Kalender und Bücher.

Budajews Werke kosten umgerechnet zwischen 2000 und 8000 Euro. Reich geworden ist er damit nicht, er verkauft wenig. Vor einigen Wochen jedoch haben die Mitarbeiter eines Oligarchen ein Bild zu dessen 50. Geburtstag erworben. "Ich habe den Herrn wenig schmeichelhaft abgebildet", sagt der Maler, "aber wenigstens kann ein Teil der Elite noch über sich selbst lachen."

Jetzt scrollt Budajew am Computer durch die 500 "Polit-Plakate", wie er seine Gemälde und Collagen nennt. In den neunziger Jahren hat er Boris Jelzin verhöhnt, der beim Abzug der Sowjettruppen aus Berlin betrunken ein Orchester dirigierte.

Heute entlarvt er den postsowjetischen Personenkult, wenn er Wladimir Putin die Enthüllung seines eigenen Denkmals beklatschen lässt. Budajew geht nicht mehr zu den Wahlen, "weil ohnehin alles vorher abgekartet wurde und das Volk nur als Stimmvieh herhält".

Links von seinem Schreibtisch hängt ein 1,80 mal 3,50 Meter großes Werk, frei nach Rembrandts berühmter "Anatomie des Dr. Tulp". Der Operationstisch besteht aus Bündeln mit Dollarnoten und Goldbarren. Darauf liegt die Leiche des russischen Finanzministers. Ein grinsender, geldverliebter Putin führt Regie. "Er war ein Präsident für die hundert reichsten Milliardäre und Oligarchen des Landes, nicht für das Volk", klagt Budajew.

Einer dieser Oligarchen hält das Modell einer 200-Millionen-Dollar Yacht in Händen. Die hatte er seiner Tochter geschenkt, als Russland gerade mit Volldampf auf eine neue Wirtschaftskrise zusteuerte. "Anatomie der Macht" hat Budajew sein Werk genannt.

Aus dem Radio erklingt das "Echo Moskaus". Der kritische Radiosender meldet den Anstieg der Arbeitslosenzahlen und Neues vom Chodorkowski-Prozess. Der Ölbaron soll mehr Öl von seinem eigenen Unternehmen gestohlen haben, als das Unternehmen überhaupt förderte.

Absurder als Budajews Werke ist nur noch die Realität. MATTHIAS SCHEPP

* "Einladung zur Hinrichtung" (2005).

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